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Berufsgenossenschaft
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Unternehmen der deutschen Privatwirtschaft und deren Beschäftigte. Daneben gibt es die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft als Teil der SVLFG.
Berufsgenossenschaften haben die Aufgabe, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten. Beschäftigte, die einen Arbeitsunfall erlitten haben oder an einer Berufskrankheit leiden, werden durch die Berufsgenossenschaften medizinisch, beruflich und sozial rehabilitiert. Darüber hinaus obliegt es den Berufsgenossenschaften, die Unfall- und Krankheitsfolgen durch Geldzahlungen finanziell auszugleichen. Im Jahr 2005 waren etwa 46,2 Millionen Personen bei den gewerblichen und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften versichert.
Bei den Berufsgenossenschaften handelt es sich um Sozialversicherungsträger. Sie sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung organisiert und finanzieren sich im Wesentlichen aus Beiträgen der ihnen durch Pflichtmitgliedschaft zugewiesenen Unternehmen (die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (SVLFG) erhält Bundeszuschüsse aus Steuermitteln). 2005 waren etwa 3,2 Millionen Unternehmen Mitglied einer gewerblichen Berufsgenossenschaft.
Derzeit bestehen neun gewerbliche[3] und bis zum 31. Dezember 2012 neun landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften, welche ab dem 1. Januar 2013 in der SVLFG aufgegangen sind. Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind nach Wirtschaftszweigen gegliedert, die Geschäftsstellen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft nach Regionen.
Aufgaben
Die Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger (UVT) der öffentlichen Hand haben den gesetzlichen Auftrag, Arbeits- und Schulunfälle sowie Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten § 14 SGB VII. Nach Eintritt eines Versicherungsfalles entschädigen sie die Versicherten oder deren Hinterbliebene. Beide Leistungsbestandteile folgen dem Prinzip des Einsatzes aller geeigneten Mittel. Die UVT erfüllen diesen Präventionsauftrag nach § 17 SGB VII insbesondere durch Beratung und Überwachung der Unternehmen in Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Unfallversicherungsträger (UV-Träger) erlassen Unfallverhütungsvorschriften (UVV), deren Einhaltung von den Aufsichtsdiensten der UV-Träger überprüft wird. Unterhalb dieser Vorschriftenebene haben die UV-Träger zudem ein umfassendes Regelwerk (Regeln, Informationen und Grundsätze) zur Unterstützung der Unternehmer und Versicherten bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten im Bereich Sicherheit und Gesundheit erarbeitet. Die Fachbereiche und Sachgebiete der DGUV entwickeln das Vorschriften- und Regelwerk.
Die Überwachung und Beratung erfolgen durch Aufsichtspersonen (zuvor: Technische Aufsichtsbeamte), die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind. Die von den Aufsichtspersonen angeordneten Maßnahmen, z. B. die Stilllegung einer sicherheitswidrig betriebenen Maschine, können notfalls mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden (§ 18, § 19 SGB VII).
Des Weiteren schulen die Berufsgenossenschaften nach § 23 SGB VII betriebliche Akteure für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, also insbesondere die Führungskräfte, die Sicherheitsbeauftragten und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Zu diesem Zweck betreiben die Berufsgenossenschaften eigene Bildungseinrichtungen.
Eingangsbereich des „Bergmannsheil“
Ereignet sich ein Arbeits-/Wegeunfall oder erkrankt ein Versicherter an einer Berufskrankheit, so muss die Berufsgenossenschaft nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII den Gesundheitsschaden beseitigen oder zumindest bessern, seine Verschlimmerung verhüten und seine Folgen mildern, und zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes „mit allen geeigneten Mitteln“. Eigenanteile oder Selbstbeteiligungen, wie sie von der gesetzlichen Krankenversicherung bekannt sind, gibt es dabei nicht. Die Berufsgenossenschaften arbeiten dazu eng mit niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern zusammen. Häufig werden die Verletzten und Erkrankten aber auch in besonderen Rehabilitationseinrichtungen behandelt, beispielsweise im Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil. Leistungsansprüche gegenüber der Kranken- oder Pflegeversicherung bestehen dann nicht.
Neben diese medizinische Rehabilitation treten gleichberechtigt die berufliche und soziale Rehabilitation: Die Berufsgenossenschaft muss nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII und nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII dem Versicherten einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben sichern und Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens bereitstellen. Ist der Versicherte auf Grund des Unfalls oder der Berufskrankheit pflegebedürftig, so erbringt die Berufsgenossenschaft nach § 26 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII die gleichen Leistungen wie die Pflegeversicherung.
Während der Phase der unfall- oder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unterstützen die Berufsgenossenschaften die Versicherten finanziell, indem sie ihnen nach Ablauf eines etwaigen Entgeltfortzahlungsanspruches Verletztengeld zahlen (§ 45 SGB VII). Sind Versicherte auf Grund des Unfalls oder der Berufskrankheit dauerhaft und erheblich in ihrer Gesundheit geschädigt, erhalten sie von der Berufsgenossenschaft eine nach dem Grad der Erwerbsminderung bemessene auf Basis des dem Versicherungsfall vorhergehenden Jahres erzielten Einkommens aus der versicherten Tätigkeit berechnete Rente (§ 56 SGB VII). Dabei gilt der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ (§ 26 Abs. 3 SGB VII). Die Berufsgenossenschaft darf erst dann eine Rente zahlen, wenn eine weitere medizinische Behandlung keinen Erfolg verspricht.
Verstirbt ein Versicherter infolge des Unfalls oder der Berufskrankheit, zahlen die Berufsgenossenschaften Renten, Sterbegeld und ggf. Überführungskosten an seine Hinterbliebenen (§ 64, § 65, § 67 SGB VII).
Organisation und Rechtsform
Die Berufsgenossenschaften sind Institutionen der gesetzlichen Unfallversicherung und damit Sozialversicherungsträger. Ihre Organisation – das Gesetz spricht von „Verfassung“ – ist in ihren wesentlichen Elementen durch das Vierte Buch Sozialgesetzbuch und das Siebte Buch Sozialgesetzbuch vorgegeben.
Die Berufsgenossenschaften sind nach § 29 SGB IV als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung verfasst. Als solche sind sie mitgliedschaftlich organisiert. Mitglieder sind die Unternehmen des jeweiligen Gewerbezweigs.
Organe
Die Berufsgenossenschaften verfügen über drei Organe. Zwei dieser Organe, die Vertreterversammlung und der Vorstand, sind nach § 31 SGB IV Selbstverwaltungsorgane.
Die Vertreterversammlung ist für die Rechtsetzung zuständig: Sie stellt die Satzung, die Unfallverhütungsvorschriften, die Dienstordnung, den Gefahrtarif und den Haushaltsplan auf. Von ihrer Funktion her ist sie mit einem Parlament vergleichbar. Die Vertreterversammlung ist paritätisch mit Vertretern der Unternehmen (Arbeitgebervertretern) und Vertretern der versicherten Beschäftigten (Arbeitnehmervertretern) besetzt. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter nehmen ihre Aufgaben in der Vertreterversammlung ehrenamtlich wahr. Es handelt sich bei ihnen in der Regel um Beauftragte von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Echte Sozialwahlen, wie sie das Gesetz in § 46 SGB IV für die Vertreterversammlung vorsieht, finden bei den Berufsgenossenschaften praktisch nicht statt. Stattdessen werden die Mitglieder der Vertreterversammlungen durch so genannte Friedenswahlen bestimmt: Arbeitgeber- und Versichertenseite legen Listen mit Wahlvorschlägen vor. Die dort genannten Personen gelten als gewählt.
Die Vertreterversammlung wählt den Vorstand. Der Vorstand ist die Verwaltungsspitze – die „Regierung“ – der Berufsgenossenschaft. Er erlässt nach § 35 SGB IV Richtlinien für die Führung der Verwaltungsgeschäfte und vertritt die Berufsgenossenschaft nach außen. Ebenso wie die Vertreterversammlung ist auch er paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt.
Drittes Organ jeder Berufsgenossenschaft ist nach § 36 SGB IV ein hauptamtlich tätiger Geschäftsführer, bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften Hauptgeschäftsführer genannt. Er leitet unter Aufsicht und nach Weisung des Vorstands die laufenden Verwaltungsgeschäfte. Ihm untersteht unmittelbar der gesamte Verwaltungsapparat. Bei einigen Berufsgenossenschaften werden die laufenden Verwaltungsgeschäfte von einer dreiköpfigen Geschäftsführung mit einem aus deren Mitte gewählten Vorsitzenden geführt (siehe § 118 SGB VII).
Beschäftigte
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften beschäftigen etwa 19.000 Personen, davon etwa 2.200 als Aufsichtspersonen im Außendienst.
Für die Angestellten der Berufsgenossenschaften gilt mit dem Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag (BG-AT) ein eigener Tarifvertrag. Der BG-AT ist dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst nachgebildet. Neben den Tarifangestellten arbeiten bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften mehr als 7.000 so genannte Dienstordnungsangestellte. Dabei handelt es sich um Angestellte mit einem beamtenähnlichen Status.
Aufsicht
Die Berufsgenossenschaften unterliegen der staatlichen Aufsicht. Die Aufsichtsbehörden – das Bundesamt für Soziale Sicherung und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – wachen darüber, dass die Berufsgenossenschaften sich an Recht und Gesetz halten, ihre gesetzlich vorgegebenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen und ihre Kompetenzen nicht überschreiten.
Im Bereich der Unfallverhütung ist das Aufsichtsrecht nach § 87 Abs. 2 SGB IV als Fachaufsicht ausgestaltet, d. h., das Bundesministerium prüft nicht nur, ob die Unfallverhütungsmaßnahmen der Berufsgenossenschaften rechtmäßig, sondern auch ob sie zweckmäßig sind. Damit liegt die Letztverantwortung für alle berufsgenossenschaftlichen Präventionsmaßnahmen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
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